[inspic=164,left,fullscreen,300]Nach dem langen und körperlich anstrengenden Aufstieg zu den Prä-Inka-Ruinen nahe der Hacienda „La Florida“ entschlossen wir uns, den heutigen Tag etwas entspannter angehen zu lassen. Wir ließen uns mit einem eigens gecharterten micro („Kleinbus“) nach Tarmatambo, der Provinzhauptstadt zu Inkazeiten, kutschieren. Hier erhielten wir einige spannende Eindrücke von der exzellenten Versorgungs-Infrastruktur der Inkas. Von Yannick Jochum.
Historisches Erbe
Dichte Wolken hängen an diesem Morgen über den Anden und es nieselt ein wenig. Dies freut zwar unsere vom Vortag sonnenverbrannte Haut, da wir uns mit langen Regensachen gegen das Wetter schützen müssen; die Laune der leicht dezimierten Truppe hält sich vor Beginn des Ausflugs zunächst jedoch in Grenzen. Sophie geht es heute nicht sonderlich gut, anscheinend war der Vortag doch ein wenig zu anstrengend, und Christian Grimm schreibt pflichtbewusst an einer Hausarbeit für die Uni. Dennoch lässt sich der Rest der Crew nicht von dem Wetter unterkriegen und freut sich auf einen entspannten und informativen Rundgang.
[inspic=150,right,fullscreen,300]Tarmatambo war schon zu Prä-Inka-Zeiten das administrative Zentrum der Region. Der Ort mit gerade mal 10.000 Einwohnern kann somit auf eine weit ältere Geschichte zurückblicken als die Stadt Tarma, die von den spanischen Kolonisatoren gegründet wurde. Der Name des kleinen Ortes setzt sich aus den Worten Tarma und Tambo zusammen. Tarma ist auf das Volk der Taramas zurückzuführen, welches vor der Unterwerfung durch die Inkas in dem Tal ansässig war. Tambo heißt soviel wie „Ort der Entspannung und des Rückzugs“.
Von der Hacienda aus dauert die Fahrt nach Tarmatambo etwa 40 Minuten; es geht hinauf auf 3400 Höhenmeter. Schon bei der Anreise fühle ich mich in frühere Zeiten versetzt: die Fahrt geht vorbei an den typischen Inka-Terrassen, mit denen die Vorfahren der Peruaner die steilen Hänge der Anden für die Landwirtschaft nutzbar machten.
Der steinerne Pfad
„Hier in Tarmatambo wurde ein kleines Stück des Camino del Inka („Inkapfad“) und einige Colcas, die ehemaligen Waren- und Lagerhäuser der Inkas, rekonstruiert“, erzählt uns Lourdes von der Hacienda, die uns heute als Touristenführerin begleitet. Eine Gruppe US-amerikanischer Wissenschaftler hat im Jahr 2002 einige Forschungen in der Region angestellt und dabei einige Teile Tarmatambos aus Prä-Inka-Zeiten rekonstruiert. Außerdem unternahmen die Forscher eine Bestandsaufnahme des bis heute funktionierenden Bewässerungssystems der Inka-Terrassen.
[inspic=159,left,fullscreen,300]Als wir aus unserem micro aussteigen, stehen wir direkt auf dem Camino del Inka, der von Ecuador bis Chile reicht. Der Pfad ist die heutige Hauptstrasse von Tarmatambo, deshalb ist er auch an vielen Stellen zerstört. An den rekonstruierten Teilen des Pfades außerhalb des Ortes lässt sich jedoch erahnen, wie die Caziques („Botschafter des Inkas“) sowie die mit Lasten beladenen Lamas über den befestigten Steinpfad zogen.
Die Kühlhäuser der Inkas
Neben dem Camino del Inka wurden auch zwei Lagerhäuser der Inkas, die so genannten Colcas, in Tarmatambo rekonstruiert. „Es gibt zwei Arten von Colcas: runde und viereckige. In den runden Colcas wurden Waren bis zu drei Jahren oder länger eingelagert; in den viereckigen Warenhäusern lagerten Güter maximal ein Jahr lang,“ erklärt Lourdes. Auch Waren aus anderen Regionen, zum Beispiel von der Küste oder aus dem Urwald wurden hier in den Anden eingelagert.
[inspic=152,right,fullscreen,300]Dank des Systems der „mitas“ hatten die Inkas stets volle Lagerhäuser. Ähnlich wie im Feudalsystem wiesen die Inkas jedem Bauern einige Parzellen Land zu, die diese Felder bestellen durften. Ein Großteil der Ernte wurde dann an den Staat abgetreten und in den Colcas eingelagert. Die Colcas wurden auf einer etwa zwei Meter hohen Steinmauer gebaut; zwischen den einzelnen Gebäuden wurde stets ein halber Meter Platz zur besseren Ventilation gelassen. Auf Grund des trockenen Klimas im Hochland ließen sich selbst verderbliche Waren über längere Zeiträume hinweg einlagern. Zusätzlich waren die Colcas so konstruiert, dass der kühle Wind der Anden die Lagerhäuser stets auf eine niedrige Temperatur runterkühlte- daher werden die Colcas auch die „Kühlhäuser der Inkas“ genannt.
Das Haus der Auserwählten
Tarmatambo beherbergte als ehemalige Provinzhauptstadt auch ein „Haus der Auserwählten“. Diese Einrichtung gab es in allen administrativen Zentren des Inkareichs. „In diesem Haus, das leider nicht rekonstruiert wurde, weil es Streit mit den heutigen Besitzern des Grundstückes gibt, wurden zu Inkazeiten die hübschesten Mädchen der Region zu Hausfrauen ausgebildet. Sie wurden von den besten und treuesten Kriegern bewacht und von erfahrenen Frauen unterrichtet. Im Alter zwischen zwölf und 14 Jahren wurden diese auserwählten Mädchen aus allen Regionen des Inkareichs nach Cuzco gebracht und dem Inka vorgeführt. Dieser entschied dann, ob er sie als Frauen behalten wollte oder ob sie geopfert werden sollten,“ erläutert Lourdes.
[inspic=157,left,fullscreen,300]Nach circa zwei Stunden ist unser Rundgang durch Tarmatambo auch schon zu Ende und wir kehren auf die Hacienda zurück, um unseren vorerst letzten Tag in den Anden bei Pisco und Anticuchos (gegrillten Rinderherzen) ausklingen zu lassen.